Historischer Rückblick
Die erste wirkliche klare Beschreibung gelang T.K. Dalziel im Jahr 1913. Er unterschied eine chronisch entzündliche Schleimhautveränderung mit unspezifischen Granulozyten im terminalen Ileum von einer Darmtuberkulose. Diese Erkrankung bekam den Namen „Chronic Interstitial Enteritis“.
B.B. Crohn vom Mount Sinai Hospital in New York beschrieb zusammen mit L. Ginzburg und G. Oppenheimer die charakteristischen Merkmale der nicht tuberkulösen Ileitis terminalis. Als Leitsymptome galten Episoden von Diarrhoe, Fieber, Unterbauchschmerzen und Gewichtsverlust. Auch beschrieben sie als auffällige Symptome Blutarmut, auffälliger Tastbefund in der rechten Unterbauch, Engstellen im Darmverlauf sowie innere und äußere Fisteln.
Häufigkeit der Erkrankung
Je nach geographischer Lage variiert die Inzidenz von Morbus Crohn. So tritt Morbus Crohn gehäuft in der paläarktischen Zone mit gemäßigtem Klima auf. In Asien ist die Inzidenz um einiges niedriger als in Europa und den USA, steigt aber in den letzten Jahrzehnten stetig an.
Die altersstandardisierte Inzidenz (Anzahl der Neuerkrankungen pro Jahr) in Europa liegt bei 5,6 pro 100.000 Einwohner, die Prävalenz (die Anzahl an Erkrankten) liegt bei etwa 150 auf 100.000. In einer großen Untersuchung konnte gezeigt werden, dass die Inzidenz im nördlichen Europa bis zu 40% höher ist. So liegt die höchste Inzidenz für Morbus Crohn in den Niederlanden bei 9,2 pro 100.000 Einwohner und die niedrigste im Nordwesten Griechenlands bei 0,9 pro 100.000 Einwohner.
Nach einer populationsbasierten Studie aus dem Jahr 2008 liegt die alters-standardisierte Inzidenz für Morbus Crohn in der Oberpfalz bei 6,6 pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Die höchste altersspezifische Inzidenz in dieser Studie war mit 18,5 pro 100.000 Einwohner pro Jahr in der Altersgruppe von 16 bis 25 Jahren.
Beschwerden
Die Symptome des Morbus Crohn sind abhängig von der Ausdehnung, Lokalisation und Ausprägung der Entzündung der betroffenen Darmabschnitte. Patienten, die eine Beteiligung des Ileums und Colons haben, leiden unter abdominellen Schmerzen, die bei der Untersuchung häufig einen Druckschmerz im Unterbauch zeigen.
Patienten, bei denen der entzündliche Befall vorwiegend im Magen und oberen Dünndarm (Duodenum) auftritt, leiden unter früh eintretendem Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen, epigastrischen Schmerzen vor. Wegen der Schmerzen nach dem Essen und der verzögerten Magenentleerung reduzieren Patienten mit gastroduodenalem Morbus Crohn oft die Nahrungsaufnahme.
Ist der Dünndarm mit betroffen, hat dieses diffuse abdominelle Schmerzen, Appetitlosigkeit, meist unblutige Diarrhoe und Gewichtsverlust zur Folge. Während eines akuten Schubes können eine diffuse Abwehrspannung des Bauchs und Fieber auftreten.
Morbus Crohn-Patienten, bei denen das Colon betroffen ist, kann es auch zu einer Colitis Ulcerosa ähnlichen Symptomatik kommen, indem sich der Morbus Crohn in Form blutiger, schleimiger Durchfälle verbunden mit Krämpfen im Bereich des unteren Abdomens, die häufig durch Defäkation erleichtert werden, präsentiert. Dies kann die klinische Differenzialdiagnose von Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa erschweren.
Auch extra-intestinale Manifestationen wie die Iritis, Uveitis, (Entzündungen der Augen), Arthritis, ankylosierende Spondylitis (M. Bechterew), Erythema nodosum, Pyoderma gangränosum (Hautveränderungen) sind bei Morbus Crohn-Patienten gehäuft zu finden. Darüber hinaus ist auch das Risiko für Thrombosen und Lungenembolien erhöht. Häufig besteht auch ein Eisenmangel mit begleitender Blutarmut sowie ein Vitamin B12 Mangel bei Entzündungen im Bereich des terminalen Ileums oder Z.n. Entfernung des terminalen Ileums und Coecums (Ileocoecalresektion). Ebenso treten Gallen-und Nierensteine bei Morbus Crohn Patienten deutlich häufiger auf.
Diese extraintestinalen Manifestationen bzw. Begleiterkrankungen können schon vor Auftreten intestinaler Symptome vorhanden sein und sind zum Teil in ihrer Aktivität auch unabhängig vom klinischen Verlauf des Morbus Crohn.
Krankheitsverlauf
Der Verlauf der Erkrankung ist meist schubweise mit einer Rezidivhäufigkeit von 30% nach einem und 70% nach zwei Jahren. Im Falle des Andauerns der Krankheitssymptome über sechs Monate wird von einem chronisch-aktiven Verlauf gesprochen.
Im Verlauf der Erkrankung entwickeln 12% bis 54% der Morbus Crohn-Patienten eine Darm-Stenose (Engstelle) und nach verschiedenen Literaturangaben, auch je nach Lokalisation des Morbus Crohn-Befalls zwischen 17% und 69% eine Fistel. Nach einer französischen Studie fiel die Mehrheit der Patienten am Anfang mit einem rein entzündlichen Krankheitsverhalten auf. Innerhalb von zwanzig Jahren nach Diagnosestellung waren bei 12% ein rein entzündliches, bei 18% Vernarbungen mit Entstehung von Engstellen und bei 70% die Ausbildung von Fisteln zu beobachten.
In populationsbasierten Studien (das heißt, dass alle Patienten mit der Diagnose Morbus Crohn, die in einem definierten Gebiet leben, erfasst werden) zeigte sich hier ein weniger dramatisches Bild. Fünf Jahre nach der Erstdiagnose war nur bei 28% der Patienten ein chirurgischer Eingriff erforderlich. Mehr als die Hälfte der Patienten benötigte nach 5 Jahren keine Behandlung mit Corticosteroiden (“Cortison”) und nur 13% erhielten eine Therapie mit einem Immunsuppressivum, wie Azathioprin.
Mögliche Ursachen
Die Ursachen des Morbus Crohn sind trotz vieler Ergebnisse aktueller Forschungs-projekte nur ungenügend verstanden. Beim Morbus Crohn werden als Umweltfaktoren, hohe häusliche Hygienestandards während der Kindheit, und das Rauchen diskutiert. Das Rauchen scheint dabei ein entscheidender Risikofaktor sowohl für die Entstehung als auch für den Verlauf darstellt bei Morbus Crohn zu sein. Untersuchungen konnten zeigen, dass bei Rauchern ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Fisteln und Stenosen bestehen und nach einer Operation war das Rezidivrisiko bei Rauchern deutlich höher. Insgesamt kommt es bei Rauchern zu einer höheren Anzahl an chirurgischen Eingriffen, die im Krankheitsverlauf schon früher als bei Nichtrauchern durchgeführt werden müssen.
Weiterhin zeigte sich auch eine deutliche genetische Komponente. Insgesamt konnten über 30 Genveränderungen nachgewiesen werden, die das Risiko an Morbus Crohn zu erkranken beeinflussen. Am bekanntesten sind hier die Mutationen im NOD2-Gen, das ein Eiweiß kodiert, welches bei der Erkennung von Bakterien-bestandteilen eine wichtige Rolle für das Immunsystem spielt.
Aktuell geht man davon aus, daß eine fehlreguliertes Immunsystem sowie eine Störung der Barrierefunktion der Darmschleimhautoberfläche zu einer überschießenden Immunreaktion führen. Diese Immunreaktion bewirkt dann eine Entzündung, die letztlich in der Folge auch zu dauerhaften Schäden des Darms führen kann.
Behandlungsmöglichkeiten
Die Behandlung des Morbus Crohn richtet sich nach den Beschwerden der Betroffenen. Eine dauerhafte Heilung ist durch aktuell verfügbare Therapien leider nicht möglich.
Viele Patienten mit Morbus Crohn leiden jedoch nur selten unter Beschwerden. Sind die Patienten beschwerdefrei so ist nach aktuellen Erkenntnissen in der Regel keine Therapie zur Vermeidung eines akuten Schubs erforderlich (Remissionserhaltung).
Sobald Beschwerden auftreten wie Durchfälle oder / und Bauchschmerzen muß in Abhängigkeit von der Stärke der Beschwerden und der Lokalisation der Entzündung eine passende Behandlung gewählt werden. In Frage kommt hier das nur lokal im Darm wirksame Budesonid (ein cortisonähnlicher Wirkstoff), das sobald es in den Blutkreislauf gelangt abgebaut wird. Damit hat dieses Medikament nicht die gefürchteten Nebenwirkungen von anderen Corticosteroiden, die bei länger andauernder Behandlung neben einer Veränderung der äußeren Erscheinung („Büffelnacken“ Vollmondgesicht“) auch zu einer Osteoporose und zum Muskelabbau führen können. Auch stellt die Nebenniere bei längerer Einnahme von Cortison (Corticosteroiden) die körpereigene Cortisonproduktion ein. Bei entzündlichen Veränderungen im Bereich des unteren Dickdarms kann auch eine lokale Therapie mit corticosteroidhaltigen Einläufen durchgeführt werden.
Sollte die Behandlung mit Budesonid nicht ausreichend sein oder aber die Entzündung im oberen Verdauungstrakt (Magen/ Zwölffingerdarm) bzw. im unteren Dickdarmabschnitt gelegen sein muss häufig kurzzeitig auf die Einnahme von Cortison (meist Prednisolon) zurückgegriffen werden. In über 90% der Fälle kann damit der akute Schub effektiv behandelt werden.
Falls mehr als zwei Schübe pro Jahr auftreten, die die Einnahme von Cortison erforderlich machen oder es unter Reduktion bzw. kurz nach dem Absetzen des Prednisolons erneut zu Beschwerden kommen ist von einer Corticosteroid-abhängigkeit auszugehen, die dann den Einsatz von anderen immunsuppressiven Medikamenten erforderlich macht. Damit können die oben angegebenen negativen Auswirkungen einer zu langandauernden oder zu häufigen Cortisonbehandlung vermieden werden.
In Frage kommen hier zunächst Azathioprin und 6-Mercaptopurin in zweiter Linie dann Methotrexat und Tumor Nekrose Faktor (TNF) neutralisierende Antikörper (Humira® oder Remicade®). Alle diese Medikamente besitzen ein bestimmtes Nebenwirkungsspektrum, das eine ausführliche Aufklärung des Patienten vor Einleitung der Behandlung ebenso erforderlich macht wie regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen.
Insbesondere zur Behandlung von Fisteln aber auch bei schweren Schüben ist der Einsatz von Antibiotika (häufig Ciprofloxacin und Metronidazol) sinnvoll.
Oft ist jedoch die Behandlung mit Medikamenten nicht ausreichend. Dies gilt insbesondere für Patienten mit narbigen Engstellen des Darms sowie einer Entzündung, die bereits die Darmwand durchbrochen hat (perforierende Entzündung). Bei diesen Patienten kommt es dann häufig zu Abszessen und es bilden sich Konglomerattumore (Darmschlingen, die miteinander verkleben). In diesen Fällen ist fast immer eine chirurgische Behandlung mit Entfernung der betroffenen Darmabschnitte erforderlich.
Die beiden häufigsten Probleme bei der Behandlung des Morbus Crohn bestehen in einer zu lange dauernden Cortisontherapie (über 3-6 Monate hinaus) sowie im zu langen Verzögern einer chirurgischen Therapie bei einer perforierenden Entzündung und Engstellen.
„Alternative“ Behandlungsmethoden
Unterschiedliche Behandlungsansätze mit Probiotika, Weihrauch, Lecithin, Fischöl oder Eiern des Schweinepeitschenwurms (Trichuris suis) haben entweder keinen statistisch signifikanten Effekt in klinischen Studien gezeigt oder wurden bisher nicht ausreichend in multizentrischen Studien getestet. Eine Erstattung dieser Arzneien durch die gesetzlichen Krankenkassen ist nicht möglich.
Deutsche Crohn und Colitis Vereinigung - Selbsthilfegruppe: www.dccv.de. Kompetenznetz CED: Zusammenschluß von Ärzten, Patienten und Forschern: www.kompetenznetz-ced.de. Aktuelle deutsche Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der Colitis Ulcerosa erhalten Sie hier als PDF zum Download:: www.dgvs.de/media/DGVS2008_LL_Morbus_Crohn.pdf.